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Kiewer Ei

Fundort: Meißen (Meißen, Meißen)
Datierung: Mittelalter | Hochmittelalter | 1020 - 1100 n. Chr.
Material: Irdenware
Fundgegenstand: Keramische Sonderformen

Objektbeschreibung:

Der obere Teil von einem Ei aus Ton. Das Ei war hohl und hatte eine dicke Wand. Der untere Teil von dem Ei ist nicht erhalten. Auf dem Ei ist eine dünne, glasartige Schicht – eine Glasur. Die Glasur ist in gelben und schwarzen Streifen auf dem Ei. In gleichen Abständen ist die Farbe nach Unten und nach Oben verstrichen. So ist ein Muster entstanden, das aussieht wie Federn.

Solche besonderen und ausgefallenen Gegenstände aus Ton kamen im 10. bis 12. Jahrhundert aus der Kiewer Rus.

Sie wurden bei Ausgrabungen in Siedlungen, Burgen und Gräbern in Osteuropa und Ostmitteleuropa gefunden. Diese Orte waren oft mit Handelswegen verbunden.

Im westlichen Europa wurden solche Gegenstände in Meißen, in Wallhausen im südlichen Harzvorland und Brandenburg gefunden. Im Norden wurden solche Gegenstände aus Ton in Handelsplätzen der Wikinger im Süden der Ostsee gefunden.

Das Ei kann viele Bedeutungen haben. In dem Ei war eine kleine Kugel. Wahrscheinlich war es kein Musikinstrument und auch kein Kinderspielzeug – es rasselt zu leise.

Im Glauben der Menschen kann man mit dem Ei böse Geister vertreiben. Im heidnischen und auch im christlichen Glauben steht das Ei für Leben und Hoffnung.

Vielleicht hat ein Händler dieses Ei mit nach Meißen gebracht und dort verkauft. Vielleicht hat es jemand von einer Reise mitgebracht. Oder das Ei war ein Geschenk.

Es erinnert an die sorbischen Ostereier aus unserer Zeit.

Erhalten ist der obere Teil eines hohlen Eies mit massiver Wandung. Es trägt eine schwarz-gelbe Glasur, deren horizontale Streifen in regelmäßigen Abständen abwechselnd von oben nach unten und andersherum mit einem dünnen Werkzeug sorgfältig zu einer Art Federmuster verstrichen wurden. Solch extravagant gestaltete Keramikeier wurden zwischen dem Ende des 10. und dem 12. Jahrhundert in Kiew bzw. in frühstädtischen Zentren der Kiewer Rus hergestellt, wo ein entsprechend hoher technologischer Stand durch die Nähe zum byzantinischen Reich zugegen war. Aus Siedlungs-, Burgen- und Grabkontext und meist mit dem Fernhandelsnetz verbundenen Orten sind sie aus Ost- und Ostmitteleuropa bekannt, im Westen neben Meißen auch aus Wallhausen im südlichen Harzvorland und Brandenburg, im Norden aus wikingerzeitlichen Handelsplätzen an der südlichen Ostsee. Die Bedeutung der Eier ist vielschichtig. Im Innern bewahren sie eine kleine Kugel. Als Kinderspielzeug oder Musikinstrument rasselt sie zu leise. Vielmehr lässt sich mit dem gefüllten Ei im Volksglauben ein Abwehrzauber ausführen oder verborgenes Leben darstellen. Das Ei steht religionsübergreifend sowohl in heidnischer als auch christlicher Symbolik für Leben und Hoffnung. Das kostbare Meißner Exemplar war vielleicht Handelsware, ein Mitbringsel oder ein Geschenk. Es erinnert an die heutigen sorbischen Ostereier.

Martina Wegner/Cornelia Schuricht

Fundstelle

Fundstellen-Ort:

Heinrichsplatz 6 | M-73

Fundstellen-Beschreibung:

Ein Grundstück unterhalb der Meißner Burg in der Nähe der Flüsse Triebisch und Elbe. Die Ausgrabung begann im August 1998. Es wurden Reste von Häusern aus dem Hochmittelalter gefunden. Außerdem wurden Reste von Grenzen von Grundstücken gefunden. Sie stammen aus dem Spätmittelalter.

Der Bau der Siedlung auf diesem Grundstück unterhalb der Burg begann im Jahr 1020. Hier lebten Handwerker und Händler.

Im August 1998 erfolgte auf dem südlich unterhalb der Burg und in Nähe von Triebisch und Elbe gelegenen Grundstück eine Ausgrabung, die neben spätmittelalterlichen Parzellengrenzen die Bebauung des Hochmittelalters zutage förderte. Das Areal am südlichen Rand des mittelalterlichen Meißens war um 1020 erschlossen worden. Gemäß den Funden waren hier Handwerker und Händler ansässig gewesen.

Fundstellen-Typ:

Stadtkern

Befund

Befund-Beschreibung:

Unter zwei Blockhäusern aus der Zeit um 1100 wurden bei Baggerarbeiten zahlreiche Gegenstände aus dieser Zeit gefunden. Sie lagen in größeren Gruben und in einer Brandschicht.

1155: Nach Abschluss der archäologischen Untersuchungen wurden beim Ausbaggern unter zwei Blockhäusern der Zeit um 1100 zahlreiche Funde aus dem 11. Jahrhundert aus größeren Siedlungsgruben bzw. einer Brandschicht geborgen.

Scanner:

Aicon smartSCAN-HE C5 125mm | Streifenlicht | 0,10mm

Literatur

Ingo Gabriel, Kiewer Ostereier. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 16, 2000, 487–488.
Thomas Westphalen, Kiewer Ei. In: R. Enke/B. Probst (Hrsg.), 800 Jahre Via Regia. Bewegung und Begegnung. Katalog zur 3. sächsischen Landesausstellung (Dresden 2011) 51, Nr. 2/4.
Arnold Muhl, Oktober: Hoffnungsvolles aus Kiew – ein Ei und seine Botschaft. http://www.lda-lsa.de/landesmuseum_fuer_vorgeschichte/fund_des_monats/2014/oktober/ (20.11.2020).
Thomas Westphalen, Bautzen, Meißen und Leipzig im 11. Jahrhundert. Über die Anfänge der Städte in Sachsen. In: Europas kulturelles Erbe in Sachsen im Wandel der Jahreszeiten (Dresden 2018) 46.
Arnold Muhl, Die Hoffnung ist oval – Eine Eirassel aus der mittelalterlichen „Pfalz“ Wallhausen und ihr kultureller Hintergrund. Arch. Sachsen-Anhalt 14, 2018, 70–74.

Eigentümer/Nutzungsrecht

Landesamt für Archäologie Sachsen, Ausstellung: smac | 360°
AAS:00058237

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Permalink

https://archaeo3d.de/sachsen/2020-11-12_tr_0002/

Zitat des Beitrags / Citation

Martina Wegner, Kiewer Ei. In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | 3D (05.07.2022). https://archaeo3d.de/sachsen/2020-11-12_tr_0002/

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