Kachelmedaillon
Fundort: | Leipzig Innenstadt (Leipzig, Leipzig Stadt) |
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Datierung: | Neuzeit | Moderne | 1878 - 1910 n. Chr. |
Material: | Irdenware |
Fundgegenstand: | Relief-Kachel |
Objektbeschreibung:
Eine scheibenförmige Kachel mit einem Bild. Das Bild ist erhaben aus der Kachel herausgearbeitet – es ist ein Relief. Die Kachel hat einen unterteilten und abgerundeten Rahmen. Die Glasur auf der Kachel hat viele Risse. Vorn auf dem Relief sitzt eine Frau auf einem Podest. Sie trägt ein Gewand, wie es die Menschen in der Antike getragen haben. Die Frau stellt die Industrie dar – sie ist eine Allegorie der Industrie. Allegorien wurden zum ersten Mal in der Antike angewendet.
In der linken Hand hält die Frau einen Kranz. Mit der rechten Hand hält sie eine Deckelvase auf ihrem Schoß. Links neben der Frau lehnen ein Zahnrad, eine Zange, ein Hammer und ein Amboss. Hinter ihr kann man eine Landschaft mit Hügeln und Bäumen sehen. Auf den Hügeln stehen Fabriken mit rauchenden Schornsteinen. Links hinter der Frau ist eine Brücke mit einer Dampflok zu sehen. Diese Darstellungen stehen für die Leistungen der Ingenieure und die Geschichte der Eisenbahn im Königreich Sachsen. Die Rückseite der Kachel hat einen Rand. Auf dem Rand sind die Zahlen 17 und 26 zu sehen. Außerdem sind am Rand vier kurze Stützen zu sehen. Solche Kacheln wurden als Verzierung für Öfen verwendet.
Im Deutschen Kaiserreich (1871 bis 1918) wurden Allegorien oft verwendet. Man wollte damit die große Bedeutung von Fortschritt in der Technik und auch von Industrie, Wissenschaft und Wirtschaft zeigen. Mit Hilfe von Allegorien konnte man Begriffe wie Industrie und Wissenschaft in der Kunst darstellen.
Die scheibenförmige Reliefkachel mit weißer, krakelierter Glasur zeigt die Allegorie der Industrie in einem profilierten Rahmen. Im Vordergrund sitzt die weibliche Gestalt in antikem Gewand auf einem Podest. In ihrer linken Hand hält sie einen Kranz, mit der rechten eine Deckelvase auf dem Schoß. Zu ihrer Linken lehnen Zahnrad, Zange, Hammer und Amboss. Im Hintergrund prägen Fabrikgebäude mit qualmenden Schornsteinen die hügelige, baumbestandene Landschaft. Zusammen mit dem Viadukt samt Dampflok links – wohl eine Anlehnung an die Sachzeugen ingenieurtechnischer Meisterleistung und deutscher Eisenbahngeschichte im Königreich Sachsen – kann ein sächsisch-lokaler Bezug vermutet werden. Um die Rückseite der Kachel verläuft eine Zarge, auf der außen die Ziffern 17 und 26 eingetieft und an der etwa im Bereich der vier Scheitelpunkte kurze Stützen nach innen angesetzt sind. Solche Medaillons dienten als Blickfänger von ansonsten schlichten Öfen mit eckigen, fliesenartigen Kacheln. Im Deutschen Kaiserreich (1871–1918) erlebte die seit der Antike als Veranschaulichung eines Begriffs verwendete Allegorie ihre letzte Blütezeit in bildender Kunst und Kunstgewerbe. Mit ihr versuchte man, neue, zeitgenössische, auch nüchterne Inhalte wie den Fortschritt in Technik, aber auch die Industrie, Wissenschaft und Wirtschaft in die Tradition der Antike als kulturelles Vor- und Leitbild zu setzen und künstlerisch zu überhöhen.
Martina WegnerFundstelle
Fundstellen-Ort:
Richard-Wagner-Straße/Am Brühl, „Hotel Stadt Leipzig“ | L-06
Fundstellen-Beschreibung:
Rund um das Hotel „Stadt Leipzig“ im Nordosten der Innenstadt von Leipzig wurden Ausgrabungen durchgeführt. Das Gebiet war nach 1945 nicht mehr bebaut. Von August 1993 bis April 1994 fand hier eine Rettungsgrabung statt. Die Grenzen der alten Grundstücke zeigten, dass am Brühl Häuser gestanden haben. Die Vorderfront der Häuser zeigte auf den Brühl. Die Hinterhöfe der Häuser zeigten nach Norden. Über die Keller der alten Häuser hatte man im 19. Jahrhundert neue Häuser gebaut.
Im nach 1945 eingeebneten Bereich um das „Hotel Stadt Leipzig“ (1964–1992) im Nordosten der Innenstadt fand von August 1993 bis April 1994 eine Rettungsgrabung statt. Die Parzellenstreifen als alte Grundstücksgrenzen wiesen Hauptgebäude am Brühl und Hinterhöfe nach Norden auf. Die Vorderhauskeller waren im 19. Jahrhundert neu überbaut und weitergenutzt worden. Nicht unterkellerte Flächen erbrachten mittelalterliche und neuzeitliche Strukturen. Der Brühl gilt als Wiege des Handelsplatzes Leipzig.
Fundstellen-Typ:
Stadtkern
Befund
Befund-Beschreibung:
Das Haus „Zum blauen Harnisch“, Am Brühl 71, wurde 1878 gebaut. Der Keller des Hauses war mit Schutt aus dem 2. Weltkrieg ausgefüllt. In dem Schutt hat man die Reste von 20 verschiedenen Kachelöfen gefunden. Sie stammten alle aus der Zeit von 1870 bis 1900. Das Kachelmedaillon war zerbrochen. Alle Teile konnten gefunden werden. Wahrscheinlich waren die Bewohner des Hauses sehr wohlhabend. Solche Verzierungen an den Öfen waren teuer.
53: Im kriegsschuttverfüllten Keller vom Haus „Zum blauen Harnisch“, Am Brühl 71, das 1878 von Grund auf neu gebaut worden war, barg man die Überreste von 20 verschiedenen gründerzeitlichen Kachelöfen. Das als einziges Stück vollständig, wenngleich in Bruchstücken überlieferte Medaillon eines weiß glasierten Kachelofens lässt die ehemals sehr gediegene Ausstattung erahnen.
Scanner:
Aicon smartSCAN-HE C5 400mm | Streifenlicht | 0,21mm
Literatur
Fritz Blümel, Deutsche Öfen. Der Kunstofen von 1480 bis 1910. Kachel- und Eisenöfen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz (München 1965).
Hans Geisler/Gerhard Graf, Die Ausgrabung Leipzig – „Hotel Stadt Leipzig“. Archäologie aktuell im Freistaat Sachsen 2, 1994, 127–129 Abb. 142.
Alfred Meurer, Industrie-und Technikallegorien der Kaiserzeit. Ikonographie und Typologie (Weimar 2014).
Eigentümer/Nutzungsrecht
Landesamt für Archäologie Sachsen, Ausstellung: smac | 360°
AAS:00269744
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Permalink
https://archaeo3d.de/sachsen/2016-03-14_tr_0009/
Zitat des Beitrags / Citation
Martina Wegner, Kachelmedaillon. In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | 3D (05.07.2022). https://archaeo3d.de/sachsen/2016-03-14_tr_0009/