Kranzkachel hl. Wenzel
Fundort: | Tharandt (Tharandt, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) |
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Datierung: | Mittelalter | Spätmittelalter | 1350 - 1500 n. Chr. |
Material: | Irdenware |
Fundgegenstand: | Relief-Kachel |
Objektbeschreibung:
Die Kachel stammt von einem Ofen. Es ist eine Kranzkachel. Das sind spezielle Kacheln – sie wurden zur Verzierung von Kachelöfen verwendet.
Die Kachel ist nicht vollständig erhalten, der untere Teil fehlt. Trotzdem ist gut zu erkennen, dass auf der Kachel der heilige Wenzel von Böhmen abgebildet ist. Er ist der Nationalheilige von Tschechien.
Der heilige Wenzel ist als Relief dargestellt. Die Figur hebt sich von der Oberfläche der Kachel ab. Der Heilige hat einen Herzogshut auf dem Kopf. Um seinen Kopf ist ein Heiligenschein. Außerdem trägt er eine Brustplatte und einen Plattenrock. Das sind Teile einer Rüstung aus Metall. In der rechten Hand trägt der Heilige eine Lanze und in der linken Hand ein Schild mit einem Adler. Das alles zeigt ihn als hohen Adligen.
Zwischen der Lanze und dem Kopf des heiligen Wenzel ist ein Becher zu sehen. Das ist ein sogenannter Laienkelch. Der Laienkelch war das Symbol der Hussiten. Die Hussiten waren für Reformen in der Kirche. Dabei führten sie auch Krieg gegen die katholische Kirche. Zur Bewegung der Hussiten gehörten vor allem Bauern und Bürger, aber auch Adlige.
Wahrscheinlich ist die Kachel vor 1459 auf die Burg Tharandt gekommen. Zu dieser Zeit gehörte die Burg noch zu Böhmen. Durch die Heirat von Sidonia von Böhmen mit Herzog Albrecht von Sachsen wurden die Wettiner Besitzer der Burg. Die Wettiner waren aber keine Hussiten.
Die geborgenen Bruchstücke mit dem Motiv des heiligen Wenzel stammen von mindestens vier motivgleichen Kranzkacheln. Diese zeichnen sich durch ihren ausgeprägten holzschnittartigen Charakter aus. Die vollfigurige Darstellung des Heiligen erfolgt als mit Plattenrock und Brustplatte gerüsteter sowie mit Lanze bewaffneter Edelmann, der durch den Herzogshut als Angehöriger des Hochadels gekennzeichnet ist. Dies sowie die Lanze, der mit einem Adler verzierte Schild und der mit einer Gloriole umkränzte Kopf ermöglichen eine Identifikation des Heiligen als Wenzel von Böhmen – dem tschechischen Nationalheiligen. Vergleichbare Kachelmotive sind in Böhmen und Mähren in Fundverbänden des 15./16. Jahrhunderts nachweisbar. Die Kacheln aus Tharandt sowie eine weitere motivgleiche aus Pirna stellen die nördlichsten bekannten Vertreter dar. Nähere Betrachtung verdient die Darstellung eines Kelchs zwischen Lanze und Kopf. Der Laienkelch gilt in Böhmen als Hinweis auf hussitische Glaubensvorstellungen. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Kacheln vor 1459 auf die Burg gelangten, als sie noch im Besitz des böhmischen Königs war. Danach kam sie als Mitgift der böhmischen Königstochter Sidonia in den Besitz der Wettiner. Diese löste sich nachweislich von dem hussitischen Reformprogramm, weshalb ein Einbau der Kacheln nach 1459 unwahrscheinlich sein dürfte, eine Nachnutzung in einem anderen Bereich der Burg ist aber nicht ausgeschlossen.
Stefanie BilzFundstelle
Fundstellen-Ort:
Burg Tharandt | TRD-01
Fundstellen-Beschreibung:
Im Jahr 1974 hat eine Gruppe von Wissenschaftlern mit der Erforschung und Sicherung der Burgruine Tharandt begonnen. Dabei wurde fortschrittliche Technik eingesetzt. Mit dieser Technik konnte man die Eigenschaften und den inneren Aufbau des Geländes erforschen. So fand man die verschütteten Mauern und konnte sie ausgraben. Dabei hat man mehrere Schichten Schutt gefunden.
Im Jahr 1974 begann eine Arbeitsgruppe des Kulturbundes der DDR mit der Erforschung und Sicherung der Burgruine. Diese Arbeiten hatten in erster Linie die Klärung des Grundrisses der Burg zum Ziel und begannen äußerst innovativ: Mit Hilfe aller verfügbaren geophysikalischen Untersuchungsmethoden lokalisierte man die verschütteten, teilweise erst im 18./19. Jahrhundert abgebrochenen Mauern und legte sie im Bereich der Kernburg gezielt frei. Dabei wurden mehrere Schuttschichten angetroffen.
Fundstellen-Typ:
Burg
Befund
Befund-Beschreibung:
Die Kachel wurde im Schutt gefunden, mit dem der Zwinger der Burg aufgefüllt war.
Der Zwinger einer Burg ist ein offener Bereich zwischen zwei Mauern. Die Mauern waren um die Burg herum gebaut. Wenn Angreifer die äußere Mauer überwinden, können sie im engen Raum zwischen den Mauern besser bekämpft werden.
Nach dem Tod von Sidonia im Jahr 1510 hat auf der Burg niemand mehr gewohnt und sie ist verfallen. Es ist möglich, dass sich der Zwinger ab dieser Zeit mit Schutt gefüllt hat.
Es kann nicht genau gesagt werden, in welcher Schicht des Schutts die Kachel gelegen hat.
Mehrschichtige Auffüllung des Zwingers, die wahrscheinlich beim Umbau oder bei Aufgabe der Burg entstand. Eine eindeutige Schichtenzuweisung des Fundmaterials und Beschreibung der Schichten sind nicht möglich.
Scanner:
Aicon smartSCAN-HE C5 400mm | Streifenlicht | 0,20mm
Literatur
Stefanie Bilz, Studien zur Ofenkeramik des Mittelalters in Sachsen basierend auf archäologischen Quellen. Ungedr. Dissertation Universität Halle-Wittenberg (Halle/Saale 2022).
Eigentümer/Nutzungsrecht
Landesamt für Archäologie Sachsen
AAS:00339021
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Permalink
https://archaeo3d.de/sachsen/2021-07-20_tr_0006/
Zitat des Beitrags / Citation
Stefanie Bilz, Kranzkachel hl. Wenzel. In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | 3D (14.04.2023). https://archaeo3d.de/sachsen/2021-07-20_tr_0006/