Blattkachel mit szenischer Darstellung
Fundort: | Tharandt (Tharandt, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) |
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Datierung: | Mittelalter | Spätmittelalter | 1350 - 1500 n. Chr. |
Material: | Irdenware |
Fundgegenstand: | Relief-Kachel |
Objektbeschreibung:
Von der Kachel aus Ton sind nur einige Teile erhalten. Auf der Kachel ist ein bekanntes Motiv: die Anbetung der Könige. Das ist die Ankunft der Weisen aus dem Morgenland am Haus, in dem Maria mit dem Jesuskind nach seiner Geburt war.
Die Darstellung auf der Kachel weist darauf hin, dass sie aus Böhmen stammt.
Auf der rechten Seite oben ist der Giebel eines Hauses mit einem Turm in Form einer Zwiebel. Der untere Teil des Hauses fehlt. Wäre dieser Teil noch da, könnte man dort eine Frau in einem langen Kleid mit einem Kind auf dem Schoß sehen – Maria mit dem Jesuskind. Vor Maria mit dem Kind kniet ein Mensch, der einen Becher in den Händen hält. Vor der Gruppe könnte man eine Krone sehen. Hinter der Gruppe steht ein Pferd mit Sattel. Dieser Teil der Kachel ist erhalten.
Über Maria und dem Jesuskind sind zwei Reiter, die eine Krone aufhaben. In der rechten Hand halten die Reiter einen Becher. Einer der Reiter zeigt mit der linken Hand auf einen Stern. Dieser Teil der Kachel ist auch zum großen Teil erhalten.
Kacheln mit dieser Darstellung sind bis heute nur in Böhmen und in Tharandt gefunden worden. Es ist möglich, dass die Kachel aus Böhmen nach Tharandt gekommen ist. Oder ein Handwerker hier hat die Kachel nach einem Vorbild aus Böhmen hergestellt.
Das ist nicht verwunderlich, da die Burg bis 1495 in böhmischen Besitz war. 1495 kann sie durch Heirat der böhmischen Königstochter Sidonia mit Herzog Albrecht den Beherzten von Sachsen in den Besitz der Wettiner.
Die fragmentierte Blattkachel zeigt eine lockere Komposition, die so auch von Kacheln aus Böhmen bekannt ist (z. B. aus Litoměřice [Leitmeritz]). Das rechte Drittel nimmt der offene, zwiebelgekrönte Giebel eines ziegelgedeckten Gebäudes ein. Durch diesen blickt man in einen kreuzrippengewölbten Innenraum, in dem, wäre er auf der Kachel erhalten, eine gekrönte Frauengestalt im langen Gewand sitzen würde, die ein Kind auf dem Schoß hält. Vor ihnen kniet eine Gestalt in einem langen Gewand, die in den Händen ein Gefäß darbieten würde. Davor läge eine Krone, dahinter steht ein gesatteltes Pferd. Über dieser Gruppe befinden sich zwei gekrönte Reiter, die jeweils mit der rechten Hand einen kelchartigen Gegenstand halten. Der vordere der beiden weist mit der linken Hand auf einen Stern. Hierbei handelt es sich um eine Darstellung der sogenannten Anbetung der Könige, also die Ankunft der Weisen aus dem Morgenland an der Behausung des Jesuskindes, wie sie das Neue Testament (Mt 2,1–12) beschreibt und so auch Eingang in andere Gattungen der bildenden Künste gefunden hat. Diese Kachel weist starke Bezüge nach Böhmen auf, motivgleiche Stücke sind bislang nur dort und in Tharandt bekannt. Möglicherweise wurde die Kachel aus Böhmen eingeführt oder ein lokaler Handwerker produzierte sie mit einem importierten Model. In jedem Falle verwundert dies in Anbetracht der Besitzverhältnisse der Burg – vor 1459 böhmisch, 1459 als Mitgift der böhmischen Königstochter in wettinischem Besitz – nicht.
Stefanie BilzFundstelle
Fundstellen-Ort:
Burg Tharandt | TRD-01
Fundstellen-Beschreibung:
Im Jahr 1974 hat eine Gruppe von Wissenschaftlern mit der Erforschung und Sicherung der Burgruine Tharandt begonnen. Dabei wurde fortschrittliche Technik eingesetzt. Mit dieser Technik konnte man die Eigenschaften und den inneren Aufbau des Geländes erforschen. So fand man die verschütteten Mauern und konnte sie ausgraben. Dabei hat man mehrere Schichten Schutt gefunden.
Im Jahr 1974 begann eine Arbeitsgruppe des Kulturbundes der DDR mit der Erforschung und Sicherung der Burgruine. Diese Arbeiten hatten in erster Linie die Klärung des Grundrisses der Burg zum Ziel und begannen äußerst innovativ: Mit Hilfe aller verfügbaren geophysikalischen Untersuchungsmethoden lokalisierte man die verschütteten, teilweise erst im 18./19. Jahrhundert abgebrochenen Mauern und legte sie im Bereich der Kernburg gezielt frei. Dabei wurden mehrere Schuttschichten angetroffen.
Fundstellen-Typ:
Burg
Befund
Befund-Beschreibung:
Die Kachel wurde im Schutt gefunden, mit dem der Zwinger der Burg aufgefüllt war.
Der Zwinger einer Burg ist ein offener Bereich zwischen zwei Mauern. Die Mauern waren um die Burg herum gebaut. Wenn Angreifer die äußere Mauer überwinden, können sie im engen Raum zwischen den Mauern besser bekämpft werden.
Nach dem Tod von Sidonia im Jahr 1510 hat auf der Burg niemand mehr gewohnt und sie ist verfallen. Es ist möglich, dass sich der Zwinger ab dieser Zeit mit Schutt gefüllt hat.
Es kann nicht genau gesagt werden, in welcher Schicht des Schutts die Kachel gelegen hat.
Mehrschichtige Auffüllung des Zwingers, die wahrscheinlich beim Umbau oder bei Aufgabe der Burg entstand. Eine eindeutige Schichtenzuweisung des Fundmaterials und Beschreibung der Schichten sind nicht möglich.
Scanner:
Aicon smartSCAN-HE C5 400mm | Streifenlicht | 0,21mm
Literatur
Stefanie Bilz, Studien zur Ofenkeramik des Mittelalters in Sachsen basierend auf archäologischen Quellen. Ungedr. Dissertation Universität Halle-Wittenberg (Halle/Saale 2022).
Eigentümer/Nutzungsrecht
Landesamt für Archäologie Sachsen
AAS:00336609
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Permalink
https://archaeo3d.de/sachsen/2021-07-22_tr_0007/
Zitat des Beitrags / Citation
Stefanie Bilz, Blattkachel mit szenischer Darstellung. In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | 3D (14.04.2023). https://archaeo3d.de/sachsen/2021-07-22_tr_0007/