Logo Archaeo | 3D
DE | EN
Logo des Landesamts für Archäologie Sachsen

Jüdisches Ritualbad (Mikwe)

Fundort: Chemnitz (Chemnitz, Chemnitz Stadt)
Datierung: Neuzeit | Frühe Neuzeit | vor 1780 n. Chr.
Material: Diverses
Fundgegenstand: allg. Fundklasse Sonstiges

Objektbeschreibung:

Eine Mikwe spielt in der jüdischen Religion eine große Rolle. Es ist ein Tauchbad und dient der Reinigung der Seele und des Geistes. Diese Reinigung durch Eintauchen in ein Wasserbecken ist im Judentum ein religiöser Brauch.

Diese Mikwe besteht aus handgefertigten Ziegeln in einer besonderen Größe, dem Klosterformat: ungefähr 28 cm Länge, 15 cm Breite und 9 cm Höhe. Das Klosterformat wurde wahrscheinlich im 12. Jahrhundert von Mönchen entwickelt.

Zum Tauchbad führt zuerst eine Stufe aus Porphyr. Dahinter ist ein schmaler Gang mit einem Boden aus Ziegeln. Der Gang ist leicht geneigt. Er führt in einen Vorraum. Hier haben sich die Menschen wahrscheinlich ausgezogen und gewaschen. Auf der gegenüberliegenden Seite ist eine kleine Ablage in der Wand. Hier konnte man die Kleidung hinlegen und eine Lampe abstellen. Danach führt eine weitere Stufe in das Tauchbecken. Es ist ungefähr 70 cm tief. An den Wänden sind noch Reste von hellem Putz.

Direkt an das Tauchbecken ist aus Ziegeln ein runder Schacht gebaut. Der Schacht lag nahe an der Häuserwand und nicht weit entfernt vom Fluss Gablenz. Welche Bedeutung der Schacht hatte, ist nicht ganz klar. Eine Möglichkeit ist: er hat für die richtige Menge Wasser im Tauchbecken gesorgt. Eine andere Möglichkeit ist: in dem Schacht konnten Materialien aus dem Wasser des Flusses Gablenz zu Boden sinken. Damit war das Wasser sauberer, wenn es in das Tauchbecken kam. Die Mikwe ist im Lauf der Zeit wahrscheinlich umgebaut worden.

Die Mikwe besteht überwiegend aus klosterformatigen, handgestrichenen Ziegelsteinen. Ausgehend von einer mit Ziegeln umfassten Porphyrstufe führt ein kurzer, leicht abfallender Gang mit Ziegelboden nach einer weiteren Stufe in einen Vorraum, der dem Entkleiden und der Vorreinigung gedient haben dürfte. In der östlichen Wand, die als zweischaliges Mauerwerk aus Stein mit Ziegelausbesserungen auf Ziegelsockel die Parzellengrenze markiert, ist eine kleine Nische ausgeführt, die vermutlich zur Ablage von Licht, Kleidung etc. verwendet wurde. Den westlichen Abschluss bildet eine schmale Ziegelwand, die von einem deutlich mächtigeren Steinfundament überbaut wurde. Über eine weitere Stufe erreicht man das eigentliche, ca. 0,7 m tiefe Tauchbecken, das überwölbt war. Reste hellen Verputzes sprechen für eine sorgfältige Gestaltung der Räume. Südlich an das Tauchbecken schließt ein brunnenartiger Ziegelschacht an, der nahe der Fassade an der Augustusburger Straße und damit in unmittelbarer Nähe zur Gablenz, aber innerhalb des Gebäudes lag. Schacht und Tauchbecken sind über eine überwölbte, später verkleinerte Öffnung verbunden. Das Becken füllte sich auch noch während der Ausgrabung stetig mit Grundwasser. Ob der Schacht der Regulierung des Wasserstandes gedient hat oder es sich dabei eher um eine Art Absatzbecken gehandelt hat, kann derzeit nicht entschieden werden. Auch die Baugeschichte der Anlage ist noch ungeklärt, wenngleich es Hinweise gibt, dass die Mikwe Umbauten erfahren hat.

Rebecca Wegener/Cornelia Schuricht

Fundstelle archaeo | SN

Fundstellen-Ort:

Neue Johannisvorstadt | C-41

Fundstellen-Beschreibung:

Die Mikwe liegt in der Johannisvorstadt von Chemnitz. Hier gab es Wohnhäuser und Wirtschaftsgebäude. Die ältesten stammen aus dem 13. Jahrhundert.

Die wichtigsten Gebäude in der Johannisvorstadt sind: die Johanniskirche mit dem Friedhof, das Johannistor, das Spital (Krankenhaus) Sankt Georg und das Gasthaus „Goldner Anker“.

Die Mikwe wurde ausgegraben. Sie war vollständig mit Erde und Gestein gefüllt.

Die Johannisvorstadt liegt vor der mittelalterlichen Stadtmauer an einer alten Handelsstraße. Das Viertel umfasste Wohn- und Wirtschaftsgebäude und lässt sich bis in das 13. Jahrhundert zurückverfolgen. Ältere Befunde sind durch die Blockrandbebauung der Gründerzeit stark überprägt, die heute im Stadtbild nicht mehr zu erkennen ist. Zu den prägenden Gebäuden der Vorstadt gehörten, neben der Johanniskirche mit Friedhof, das Johannistor, das Spital St. Georg und das Gasthaus „Goldner Anker“.

Fundstellen-Typ:

Mikwe

Befund

Befund-Beschreibung:

Bei den Grabungen wurden vor allem Keller von großen Wohnblöcken gefunden. Sie stammen aus der Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert.

Eine besondere Bedeutung haben die Reste der Gaststätte „Goldner Anker“. Die letzte Adresse der Gaststätte war: Dresdner Straße 2. Sie wurde im März 1945 bei Luftangriffen zerstört.

Wahrscheinlich gab es hier schon im 15. Jahrhundert eine Brennerei. Später war das ein Gasthaus. Hier konnten Menschen, die mit der Kutsche reisten, und die Pferde übernachten. Von dem Gasthaus wurden Teile der Einrichtung, ein Weinregal aus Ziegeln und die Treppen zur Wirtsstube gefunden. Das Gasthaus wurde mehrere Male umgebaut und erweitert.

Auf der Grabungsfläche wurden hauptsächlich Kellerensembles der Gründerzeit aufgedeckt. Von besonderer Bedeutung sind die Überreste des „Goldnen Ankers“, einer bekannten Gaststätte, die sich vor den Zerstörungen der Luftangriffe im Zwickel zwischen Dresdner Straße und alter Augustusburger Straße befunden hatte. Ihre Ursprünge sollen in einer Brennerei des 16., vielleicht schon des 15. Jahrhunderts liegen, aus der später eine Ausspanne in der Nähe des Johannistores vor der Stadt hervorging. Erhalten waren neben Resten des Inventars beispielsweise die Kühlzelle, ein aus Ziegeln errichtetes Weinregal sowie die Aufgänge zur Wirtschaft. Die Gaststätte wurde mehrfach erweitert, um- und ausgebaut.

Fundzusammenhang:

Die Mikwe wurde im Kellerbereich des „Goldnen Ankers“ entdeckt.

Die Mikwe (D-01280-05) wurde im Kellerbereich der Keimzelle des „Goldnen Ankers“ angetroffen.

Scanner:

Artec EVA | Handscanner | 2,03mm

Literatur

Peter Hiptmair/Rebecca Wegener, Ein seltenes Zeugnis jüdischer Kultur. Die neuentdeckte Mikwe in Chemnitz, Archæo 19, 2022, 4–15.
Rebecca Wegener, Zu den Herausforderungen der Errichtung eines archäologischen Fensters. Die freigelegte Mikwe in Chemnitz. Acta Praehist. et Arch. 55, 2023 (im Druck).
Stephan Weingart, Die Geschichte des „Goldnen Ankers“, Chemnitzer Roland 2022, Heft 3, 14–16.

Eigentümer/Nutzungsrecht

Landesamt für Archäologie Sachsen

Eine Wiedergabe ist mit dem Vermerk „© Landesamt für Archäologie Sachsen, Scan/3D-Modell: Thomas Reuter“ gestattet. Die Nutzung für kommerzielle Zwecke ist nicht gestattet.

Permalink

https://archaeo3d.de/sachsen/2022-02-17_tr_0003/

Zitat des Beitrags / Citation

Rebecca Wegener, Jüdisches Ritualbad (Mikwe). In: Landesamt für Archäologie Sachsen, Website archaeo | 3D (15.08.2023). https://archaeo3d.de/sachsen/2022-02-17_tr_0003/


Creativ Common Lizenz Logo CC BY-NC 4.0